Die Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen präsentiert vom 20. Juni bis zum 26. September 2004 im Weimarer Schloßmuseum die umfangreiche Übersichtsschau »Ihre Kaiserliche Hoheit«. Maria Pawlowna – Zarentochter am Weimarer Hof. In 28 Räumen der Beletage des Weimarer Schlosses, an jenem Ort, wo Maria Pawlowna einst residierte, werden Prunkstücke aus der kostbaren Mitgift der Prinzessin und russischen Großfürstin vorgestellt. Sie geben eine Vorstellung von der Pracht und dem Reichtum der Romanow-Dynastie. Viele der mehr als 500 Ausstellungsstücke, darunter edles und aufwendig restauriertes Kunsthandwerk, werden erstmals öffentlich gezeigt. Die Eremitage in St. Petersburg und das niederländische Königshaus unterstützen die Weimarer Ausstellung mit wertvollen Leihgaben.
Eingebettet in den historischen Hintergrund der napoleonischen Zeit, des Wiener Kongresses und der Revolution von 1848 erschließt sich dem Besucher die spannende und wechselvolle Biografie Maria Pawlownas. Ihre Jugend verbrachte die Prinzessin in der russischen Metropole St. Petersburg sowie in den kaiserlichen Hofhaltungen in Gatschina und Pawlowsk. Nach mehrjährigen Verhandlungen wurde sie am 3. August 1804 mit Carl Friedrich Erbprinz von Sachsen-Weimar-Eisenach vermählt. Knapp drei Monate später – am 9. November 1804 – hielt das Paar feierlichen Einzug in Weimar, für den die Dichtergrößen der Klassikerstadt, darunter vor allem Friedrich Schiller, begeisterte Huldigungen verfaßten. Für die kleine thüringische Residenzstadt Weimar begann damit eine neue Ära, die sich in der Geschichtsschreibung unter dem Begriff »Silbernes Zeitalter« eingebürgert hat. Zugleich markiert dieses Datum den Beginn einer besonderen Qualität in den deutsch-russischen kulturellen Beziehungen.
Die engagierte Prinzessin und spätere Weimarer Großherzogin beeinflußte als »Regentin im Hintergrund« die Politik des Landes auf maßgebliche Weise und beflügelte Kunst und Kultur in Weimar. Die reiche finanzielle Mitgift ermöglichte ihr die Förderung von Literatur, Musik, Theater und den bildenden Künsten. Zu Ehren von Goethe, Schiller, Herder und Wieland ließ sie die vier Dichterzimmer im Westflügel des Weimarer Schlosses ausschmücken, die zu einem wichtigen Markenstein in der spezifisch höfischen Weimarer Erinnerungskultur wurden. Für die Weimarer Sammlungen konnte sie wichtige Erwerbungen tätigen, darunter Gemälde von Lucas Cranach d.Ä. und Jacopo de’ Barbari sowie graphische Arbeiten mit unterschiedlichsten Sujets. Durch Ankäufe und Aufträge förderte sie ebenso gezielt Weimarer Künstler oder Künstler von regionaler Bedeutung wie den ehemaligen Hofmaler Friedrich Preller d.Ä. Im Bereich der Literatur konnte dank ihres Engagements die Übersetzung von Puschkins Novellen ins Deutsche realisiert werden. Mit der Berufung Franz Liszts als Hofkapellmeister nach Weimar bereitete Maria Pawlowna den Weg Weimars zu einem Zentrum der musikalischen Avantgarde Europas und erreichte einen Höhepunkt ihrer vielfältigen mäzenatischen Tätigkeit.
Die Ausstellung zeigt aber auch Maria Pawlownas soziales Engagement als Reaktion auf die politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen ihrer Epoche. Die Großherzogin gründete 1817 das Patriotische Institut der Frauenvereine, setzte sich für die Schulen in Weimar und Umgebung ein, ermöglichte die Einrichtung einer Lesegesellschaft und begründete die Weimarer Sparkasse. Ihr großes Interesse für Natur schlug sich u.a. darin nieder, daß sie die Begrünung von Straßen und Landzügen in und um Weimar unterstützte. An ihrem Sommer- und späteren Witwensitz Schloß Belvedere südlich von Weimar ließ Carl Friedrich Maria Pawlowna zu Ehren einen Russischen Garten anlegen, der Ausdruck ihrer lebenslangen Sehnsucht nach den Gärten der kaiserlichen Familie in Pawlowsk (nahe St. Petersburg) wurde. Auf ihren eigenen Wunsch wurde der Sarg Maria Pawlownas, die zeitlebens der russisch-orthodoxen Kirche eng verbunden blieb, in der Nähe des Sarges ihres Gatten in einer eigens für sie 1860–62 erbauten Begräbnisstätte, der Russisch-orthodoxen Kapelle, auf dem Historischen Friedhof beigesetzt.
Diese erste übergreifende Ausstellung, konzipiert von einem interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftlerteam, führt das Wirken und die Ausstrahlung Maria Pawlownas anhand ihrer vielfältigen Interessen und Aktivitäten eindrucksvoll vor Augen. Sie beleuchtet aber auch die zeitgenössische Fremd- und Selbstdarstellung dieser herausragenden Persönlichkeit, die das Weimar des »Silbernen Zeitalters« nachhaltig prägte.